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Beute und Conquista

Die politische Ökonomie der Eroberung Neuspaniens, Campus Historische Studien 76

Erschienen am 07.09.2018, 1. Auflage 2018
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593509532
Sprache: Deutsch
Umfang: 432 S.
Format (T/L/B): 2.7 x 21.5 x 14.2 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Der welthistorische Vorgang der Eroberung Amerikas fasziniert heute noch. Wie er organisiert war und welchen Dynamiken er folgte, wurde aber bislang nicht hinreichend erforscht. Vitus Huber nimmt die Verflechtung politischer und ökonomischer Anreiz- und Belohnungsschemata in den Blick und analysiert, wie Beute und ihre Verteilung die diversen Akteure, Institutionen und Praktiken der "Conquista" beeinflussten und welche Rolle hier das Prinzip der Verteilungsgerechtigkeit spielte. So zeigt diese Studie, wie Beute und Verwaltung, Gewaltökonomien und Staatsbildungsprozesse bei der "Conquista" in verblüffender Weise zusammenhingen. Mehr noch: Diese Zusammenhänge formten nicht nur die Eroberung Amerikas, sondern begründeten zudem ein über 300 Jahre währendes Kolonialreich.

Autorenportrait

Vitus Huber, Dr. phil., war wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität München; derzeit ist er Feodor Lynen-Forschungsstipendiat der Alexander von Humboldt-Stiftung an der Università degli Studi di Padova.

Leseprobe

Einleitung Das Bild aus der Descripción de Tlaxcala des Mestizen Diego Muñoz Camargo zeigt die beiden bekanntesten Generalkapitäne der Conquista: Francisco Pizarro und Hernán Cortés (vgl. Abb.?1). Neben ihnen knien ein Inka und die berühmte Nahua-Übersetzerin Malinche. Um die vier Personen herum liegen Reichtümer der Neuen Welt: Goldbarren und Silbermünzen, diverse Behälter und bestickte Tücher. Über den Köpfen der Generalkapitäne steht: "Cortés offeriert Neuspanien" und "Pizarro offeriert Peru". Daraus lässt sich schließen, dass die beiden Konquistadoren dem nicht abgebildeten König Karl?V. (1516-56) die Herrschaft über die eroberten Reiche, inklusive der materiellen und personellen Ressourcen >anbieten<. Die fiktive Szene stellt dar, wie Cortés und Pizarro ihre Eroberungserfolge dem König als Dienst ostentativ überreichten. Es handelt sich insofern um eine typische Darstellung der Conquista, als auf die prominentesten Figuren fokussiert wird, den Indigenen eine untergeordnete Rolle zugeschrieben wird und die materiellen Schätze hervorgehoben werden. Die Darstellung lässt jedoch wichtige Aspekte aus, darunter die selbstständige Handlungsfähigkeit (agency) der Indigenen sowie die zahlreichen weiteren Akteure, Ebenen und Verteilprozesse der Eroberung. Deren Besonderheit gründet unter anderem darin, dass die Konquistadoren sich nicht als reguläre königliche Armee organisierten. Sie waren weder Soldaten noch Söldner mit einem festgelegten Sold, sondern relativ spontan zusammengestellte Gruppen junger Männer, die teils aus dem Kleinadel, hauptsächlich aber aus den mittleren Gesellschaftsschichten stammten. Sie unterstellten sich einem Anführer, dem die spanische Krone erlaubt hatte, einen Entdeckungs- und/oder Eroberungszug auszurüsten und durchzuführen. Die nötigen Mittel dazu mussten die Teilnehmer selbst in die Beutegemeinschaft einbringen. Als Belohnung für ihre Leistung, die sich an den beigesteuerten Leuten, Waffen, Tieren oder auch Schiffen und Nahrungsmitteln bemaß, hatten sie Anspruch auf einen Teil aus der Beute. Diesen teilte ihnen der Anführer in einem ersten Schritt unmittelbar zu, wobei der Krone in der Regel ein Fünftel zustand. In einem zweiten, mittelbaren Belohnungsvorgang supplizierten die Konquistadoren bei der Krone um Privilegien, Titel und >Ehren<. Aus ihren dazu verfassten >Dienst- und Verdienstberichten< (informaciones de méritos y servicios) sowie aus weiteren Quellen geht hervor, dass sie von der Krone erwarteten, für ihre Leistungen belohnt zu werden. Unter diesen Vorzeichen liest sich dieses Bild nicht nur als Demonstration von Diensten qua Beute, sondern auch als Supplikation um mittelbare Belohnungen. Berücksichtigt man den Entstehungskontext der Zeichnung, wird eine Ebene erkennbar, die nicht illustriert ist: Muñoz Camargo widmete diese Beschreibung von Tlaxcala nämlich Philipp II. (1556-98) und überbrachte sie ihm 1585 in einer Gesandtschaft, die beim König um Privilegien für den Stadtstaat Tlaxcala bat. Das Bild war somit selbst Teil einer Ostentation von Leistung, die auf königliche Gnadenerweise zielte und sich nur im Rahmen dieser bemerkenswerten gestaffelten Belohnungslogik der spanischen Expansion erklären lässt. Das führt zur Frage nach dem Einfluss der Beute auf die Conquista. Wie formte die Beute diesen welthistorischen Vorgang? Die Antwort gestaltet sich komplexer als von der Forschung bisher erfasst, denn mit der Beute ist das Problem ihrer Verteilung verbunden und dieses betrifft verschiedene Akteure, Ebenen und Prozesse mit unerwartet weitreichenden Konsequenzen. Wie prägten also Beute und ihre Verteilung die Eroberungsunternehmen vor, während und nach deren Durchführung? Wie ließen sich Beuteansprüche im Voraus vereinbaren ohne die Kenntnis, was es in den unbekannten Gebieten zu plündern gab? Wie, nach welchen Kriterien und nach welchen normativen Vorlagen und gebräuchlichen Praktiken wurde die Beute verteilt? Wie veränderte oder unterschied sich dies je nach räumlicher, zeitliche

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